Seit der Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) hat die Desinfektion von Kundenfahrzeugen eine besondere Bedeutung erlangt. Zum Schutz der Mitarbeiter und der Kunden vor der Möglichkeit einer Infektion durch das Coronavirus und zur Eindämmung der Pandemie kann es je nach individuellem Schutzkonzept der Werkstatt notwendig sein, bei der Fahrzeugannahme und vor Rückgabe an den Kunden die Fahrzeuge zu desinfizieren. Gleiches gilt auch für Fahrzeuge, die als Unfallersatzfahrzeug an den Kunden verliehen werden.
In der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen darüber, welche Art der Desinfektion sinnvoll ist und welcher Material- und Zeitaufwand hierfür erforderlich ist. Um hier aus technischer Sicht Klarheit für die Branche zu schaffen, haben das Allianz Zentrum für Technik (AZT), der Zentralverband Karosserie und Fahrzeugtechnik (ZKF) sowie die Interessengemeinschaft Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL e.V.) gemeinsam eine Zeit- und Materialstudie durchgeführt. Im Ergebnis erhalten alle interessierten Kreise eine Empfehlung, welche Art der Desinfektion sinnvoll ist, welche Fahrzeugbereiche desinfiziert werden sollten, wie eine Fahrzeugdesinfektion ablaufen kann und welcher zeitliche Umfang und Materialaufwand für die Desinfektionsmaßnahmen realistisch ist.
Basis für die Zeiterhebung sind die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Konkretisierungen der Berufsgenossenschaften Holz und Metall
(BGHM) und Verkehrswirtschaft Post Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) und die aktuellen Informationen des Robert-Koch-Institutes (RKI).
Das RKI schreibt in seinen Hinweisen zu Reinigung und Desinfektion von Oberflächen außerhalb von Gesundheitseinrichtungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie (Stand: 03.07.2020):
... generell nimmt die Infektiosität von Coronaviren auf unbelebten Oberflächen in Abhängigkeit von Material und Umweltbedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit ab. Für SARS-CoV-1 konnte gezeigt werden, dass das Virus bis zu 6 Tage auf bestimmten Oberflächen infektiös bleibt [Rabenau 2005], jedoch auf z.B. Papier und anderen porösen Materialien schon nach wesentlich kürzerer Zeit inaktiviert wird [Lai 2005]. Aus ersten Untersuchungen geht hervor, dass SARS-CoV-2 ähnliche Eigenschaften zeigt [Doremalen 2020}. Generell kann bei niedrigen Temperaturen von einer längeren Infektiosität des Virus ausgegangen werden. Auch in biologischen Sekreten (bei Anschmutzung) ist davon auszugehen, dass das Virus länger stabil bleibt.
Eine Kontamination der Oberflächen in der unmittelbaren Umgebung von infizierten Personen ist nicht auszuschließen. Nachweise über eine Übertragung durch Oberflächen im öffentlichen Bereich liegen jedoch bisher nicht vor ...
In den Vorgaben der BGen heißt es zum Umgang mit Kundenfahrzeugen konkret:
Sollten die Oberflächen, die von den Beschäftigten berührt werden müssen, wie Lenkrad, Armaturenbrett, Schalthebel oder Türgriffe, mit handelsüblichem Reiniger abgewischt werden. Der Einsatz von Desinfektionsmitteln ist nicht zwingend erforderlich.
Nach Umfrage bei den ZKF-Mitgliedsbetrieben haben sich im Wesentlichen zwei Arten der Fahrzeugdesinfektion in der Branche durchgesetzt:
Durch beide Maßnahmen werden die Arbeitsschutzvorgaben der BGen erfüllt. Um einen effektiven Schutz von Mitarbeitern und Kunden zu gewährleisten, sind die Reinigungs-/ Desinfektionsarbeiten bei Annahme des Fahrzeugs und vor Rückgabe an den Kunden durchzuführen.
Unabhängig von der gewählten Desinfektionsmethode ist durch die Werkstatt die Verträglichkeit des
verwendeten Reinigungs- oder Desinfektionsmittels auf den zu desinfizierenden Fahrzeugoberflächen
zu prüfen.
* Natriumhypochlorid ist in den verwendeten, stark verdünnten Konzentrationen unschädlich für Menschen, Tiere und Umwelt - Keine Nacharbeit nach der Desinfektion - Wirkung durch Oxidation des Virus nach ca. 15 sec. - Wirksamkeit nachgewiesen an SARS-Viren - Kein negativer Einfluss auf Oberflächen im Fahrzeug (lt. Herstellerangaben; ohne Gewähr)
Durch das feuchte Abwischen mit Reinigungsmittel soll die Virusbelastung der Oberflächen am und im Fahrzeug auf ein unkritisches Maß verringert werden. Um dies Sicherzustellen ist seitens der Ausführenden ein strukturiertes Vorgehen nötig.
Natriumhypochlorid hüllt Viren und Bakterien ein und oxidiert diese.
Wirkungseintritt nach ca. 15 Sekunden
Desinfektion der Klimaanlagen Zur COVID 19-Fahrzeugdesinfektion sind nicht notwendig.
Vernebler befüllen - je nach Fahrzeuggröße zwischen 100 und 150 ml - Betriebsdruck 4-6 bar. PSA anlegen: Einmalhandschuhe anziehen und Schutzmaske anlegen.
Vernebler in Fenster einhängen, Fenster so weit wie möglich schließen und Verneblerdüse öffnen
3 bis 5 min Desinfektionsmittel vernebeln, bis Innenraum mit Nebel gefüllt ist
• Vernebler abschalten.
• Desinfektionsmittel 5 min einwirken lassen bei geschlossenen Türen und laufendem Fahrzeug.
• Fahrzeug abschalten und 3-5 Min. durchlüften.
• Einmalhandschuhe entsorgen.
Ein Nachwischen der Flächen und Fenster ist nicht notwendig.
Die Kosten für die Desinfektion des reparierten Fahrzeugs vor der Rückgabe an den Kunden sind Versicherern ein Dorn im Auge. Denn multipliziert mit der Anzahl der Schäden reden wir am Ende über einen zweistelligen Millionenbetrag, der je nach Dauer der Krise auch noch dreistellig werden kann.
Also wird gekämpft. Es werden ungezählte Argumente vorgebracht, warum die Desinfektion nicht notwenig oder gar schädlich sei. Und wenn das nicht hilft, wird die "Das darf man nicht berechnen, das sind Gemeinkosten" -Keule geschwungen.
Jedenfalls bei der konkreten Abrechnung eines Unfallschadens nach durchgeführter Reparatur gilt: Der Geschädigte hat keinen Einfluss auf die Frage, ob und wie die von Ihm beauftragte Werkstatt die Desinfektionskosten abrechnet. Es ist - wie immer- auf der Grundlage des Subjektbezogenen Schadenbegriffs zu entscheiden. Und schon deshalb muss der Versicherer die Desinfektionskosten erstatten.
So sieht es das AG Kempten (Allgäu). Und nur ergänzend hat es das Argument des Versicherers abgeräumt. Die Desinfektion sei lediglich eine hinsichtlich der Kosten vom Arbeitgeber selbst zu tragende Arbeitsschutzmaßnahme zugunsten der Mitarbeiter ohne Zielrichtung auf den Kunden:
Nachdem das Fahrzeug aufgrund des Verkehrsunfalls vom 09.05.2020 instand zu setzen war, Sind auch die dadurch angefallenen Covid-Reinigungskosten zur Durchführung der Reparatur adäquat kausal durch den Unfall verursacht. Diese stellen nicht lediglich allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen dar, sondern Sind gerade Teil des konkreten jeweiligen Reparaturauftrages und damit in Rahmen der Schadenbeseitigung vereinbart. Darüber hinaus hat sich im vorliegenden Parteienverhältnis die Schadensbetrachtung nicht nur an objektiven Kriterien zu orientieren, sondern ist nach der Rechtssprechung des BGH subjektbezogen.- (AG Kempten (Allgäu). Urteil vom
14.10.2020. AZ, 6 C 844/20, eingesandt von Rechtsanwalt Thomas Weinhardt, Kempten).
Das AG München hat in einer kurzen und knappen Verfügung den Versicherer darauf hingewiesen, dass es sich nicht mit den Desinfektionskosten, sondern nur mit der Frage des Werkstattrisikos beschäftigen werde (AG München, Verfügung vom 30.09.2020. Az. 331 C 13198/20. Abruf-Nr. 218134. eingesandt von BRE Burkard Rechtsanwälte, Meckenheim).
Weitere Urteile befassen Sich mit den Desinfektionskosten auch inhaltlich, obwohl es eigentlich - siehe oben - gar nicht nötig wäre. Dennoch Sind diese Urteile sehr hilfreich, weil sie auch in der Sache Klarheit schaffen. Dass ein Versicherer meinte, er könne ausgerechnet vor dem AG Heinsberg gewinnen, hat Originalitätswert. Immerhin war Heinsberg der erste große Corona-Hotspot nach Ischgl. Das Gericht sagt: „Es Sind auch die Kosten für die Fahrzeugdesinfektion zu erstatten. Eine solche ist in Zeiten der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs, die ein Berühren des Fahrzeugs durch Dritte erfordert, notwendig. Der Betrag ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. sondern für den Material- und Arbeitseinsatz an-
gemessen (§ 287 ZPO).“ Es entschied über einen Betrag von 60.87 Euro (AG Heinsberg, Urteil vom 04.09.2020, Az. 18 C 161/20.
Das AG Aichach sagt: „Hinsichtlich der Maßnahmen zur Ansteckungsvermeidung erscheint dem Gericht nachvollziehbar, dass in der derzeitigen Pandemiesituation zusätzlicher Aufwand getrieben werden muss. Ein Sachaufwand von 15 Euro netto und ein zusätzlicher Arbeitsaufwand von 43.50 Euro netto für Desinfektionsmaßnahmen. Abdeckungen und längere Betriebsabläufe wegen Abstandsvorschriften Sind ohne weiteres nachvollziehbar." Und es sagt: „Es handelt sich zweifelsohne um Maßnahmen, die in der derzeitigen Lage erwartet werden dürfen und damit auch konkludent vertraglich vereinbart sind." (AG Aichach, Urteil vom 2909.2020. AZ. 101 C 560/20.
Die Zeit- und Materialstudie wurde im AZT in lsmaning nach REFA Richtlinie in Kooperation mit der IFL und dem ZKF durchgeführt. Gemessen wurde an einem 5-Türer Mittelklasse Kombi und zum Vergleich an einem 2-Türer Mittelkasse Fließheck. Die gemessenen Zeiten unterschieden sich bei den Fahrzeugen nicht signifikant, so dass davon auszugehen ist, dass die benötigte Zeit und der jeweilige Materialverbrauch über alle Fahrzeugklassen von Kleinwagen über SUVs bis hin zu Oberklasse und Grossraumvans vergleichbar sind.
Für beide Desinfektionsarten wurden jeweils mehrere Durchgänge mit unterschiedlichen Werkern erfasst, um eine realistische Leistungsgradschätzung zu ermöglichen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um entsprechend eingearbeitete Werker handelte, wodurch die in der Praxis durch die wiederkehrenden Abläufe einkehrende Routine noch nicht vorhanden war. Dies führt zu tendenziell höheren Zeiten im Rahmen der Zeitstudie.
Da die einzelnen Arbeitsschritte für eine sinnvolle getrennte Erfassung zu kurz sind, wurde nur die Zeit zwischen Arbeitsbeginn (Handschuhe anziehen) und Arbeitsende (Handschuhe entsorgen) erfasst und bewertet.
Die gemessenen Zeiten wurden von den beteiligten Parteien einvernehmlich mit einem Leistungsgrad beurteilt und den ermittelten Durchschnittszeiten ein Verteilzeit-Zuschlag* von 40 % hinzuaddiert.
Im Ergebnis wurde für beide Arten der Fahrzeugdesinfektion ein aufgerundeter Arbeitswert von 3 AW ermittelt, der sämtliche Desinfektionsarbeiten für Annahme und Rückgabe des Fahrzeugs inklusive aller vor- und nachbereitenden Tätigkeiten umfasst.
Als Verbrauchsmaterial wurden maximal 7,50 € (Stand: Oktober 2020) inkl. eines ausreichend dimensionierten Sicherheitsaufschlags von bis zu 130% ermittelt.
Besonderheit bei Kaltverneblung:
Nicht erfasst wurden die Zeiten, in denen der Vernebler den Fahrzeuginnenraum einnebelt und die Einwirkzeit für das Desinfektionsmittel nach dem Einnebeln, da in diesen Zeiträumen keine Arbeiten am Fahrzeug durchgeführt wurden und die Ausführenden in dieser Zeit anderweitig produktiv werden können.
Die Investition für die Anschaffung des Kaltverneblers wurde bei der Studie nicht berücksichtigt.
Der Verbrauch an Desinfektionsmittel bei der Kaltverneblung wurde mit durchschnittlich 50 ml ermittelt und in der Materialberechnung mit entsprechendem Aufschlag berücksichtigt.
Definition Verteilzeit: Neben der Grundzeit, der zur unmittelbaren Aufgabenerledigung notwendigen Arbeitszeit ist bei der Ermittlung der Gesamtarbeitszeit auch die„ Verteilzeit" zu berücksichtigen. Dies sind alle während der Arbeitszeit aufgewendeten Zeiten, die nicht unmittelbar zur Erfüllung der konkret übertragenen Aufgaben gehören. Unterschieden werden sachliche und persönliche Verteilzeiten, wie z.B. Rüstzeiten, Rückfragen, Unterbrechungen des Arbeitsablaufs, persönliche Verrichtungen etc.
Durch die Corona-Pandemie bedingt kann die Desinfektion von Kundenfahrzeugen bei der Fahrzeugreparatur je nach individuellem Schutzkonzept der Werkstatt einen notwendigen Arbeitsaufwand darstellen. Die zu reinigenden Fahrzeugteile sind alle Innen- und Außenflächen, die beim Gebrauch durch den Kunden oder bei der Reparatur durch den oder die Mitarbeiter berührt werden können. Hierzu zählen auch die Komponenten, die bedingt durch Aerosole eine entsprechende infektiöse Oberfläche bieten können. Der erforderliche Arbeitsaufwand beträgt durchschnittlich 3 AW, egal für welche Art der Reinigung (Wischdesinfektion, oder Desinfektion durch Kaltvernebelung) der Betrieb sich entscheidet. Die Kosten für benötigtes Verbrauchsmaterial betragen einmalig 7,50 € pro Auftrag.
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